Glossar

Gute Entwicklung im Dressursport

Auf den internationalen Championaten werden heute im Dressursport von den Richtern Wertnoten bis hin zu 90% vergeben. Für den Grand Prix Special können sich nur noch Pferde mit ihren Reitern qualifizieren, die im Grand Prix mit mindestens 70% bewertet werden. Um ernsthaft in die Nähe der Medaillenränge zu kommen, reicht ein Ergebnis von 75% im Grand Prix Special nicht mehr aus. Im Freestyle erreichen dann die Top-Paare sogar bis zu 90%.

Noch vor 30 Jahren konnten Pferd und Reiter ein internationales Championat im Dressursport mit einer Bewertung von bis zu 75% gewinnen.

Sind die hohen Bewertungen von heute schlicht mit einer zu wohlwollenden, unkritischen und damit inflationären Notengebung der Richter zu erklären? Nein, dem ist nicht so!
Im internationalen Dressursport haben sich während der letzten Jahrzehnte Qualität und Niveau der Leistungen deutlich positiv weiterentwickelt. Auch die Leistungsdichte ist heute wesentlich größer.

Für diese positive Entwicklung gibt es gute Gründe:
Die sieben erfolgreichsten Nationen im internationalen Dressursport bilden ihre Pferde und Reiter systematisch und konsequent nach den anerkannten Grundsätzen der klassischen Dressurausbildung aus. Vereinzelt aufgetretene individuelle Irrwege (siehe Artikel Nr.1) hatten zum Glück keinen Bestand.

Die Pferdezucht hat sich deutlich verbessert. Dem Dressurreiter stehen heute herrliche qualitätsvolle Pferde zur Verfügung (siehe Artikel Nr.1), wie es sie früher kaum gab.

Die Topreiter verstehen sich selbst heute als Spitzensportler. Sie wissen, dass sie zusammen mit ihren Pferden nur dann Höchstleistungen vollbringen können, wenn auch sie physisch und mental in Topform sind. Um dies zu gewährleisten, betreiben die Spitzenreiter neben dem Reitsport noch gezielt andere Sportarten, die ihren Körper auf den Einsatz im Sattel vorbereiten und trainieren mental.
Es versteht sich von selbst, dass jeder Spitzenreiter sein Pferd ehrt, achtet und sich jeden Tag bemüht, seinen Partner immer besser zu verstehen. Diese Reiter wissen: Nur gemeinsam, nur im Team können Pferd und Reiter Erfolg haben.

Das Training eines Sportpferdes und seine Vorbereitung auf den internationalen Spitzensport verläuft heute ebenso, wie es bei einem menschlichen Hochleistungssportler verläuft. Alle Faktoren, die die sportliche Leistung beeinflussen, werden ständig kontrolliert und optimiert: Haltungsbedingungen, Fütterung, Beschlag, veterinärmedizinische Prophylaxe (3-4 Gesundheits-/Belastungschecks pro Jahr), Unterstützung durch Osteopathie und/oder Akkupunktur, Qualifikation des Stallpersonals und der Turnierpfleger, Trainingsplanung (kurz-, mittel- und langfristig), Planung der Erholungsphasen, Turnierplanung und Steuerung der psychischen Belastbarkeit.

Die Richtlinien für alle Maßnahmen bilden den natürlichen und individuellen Bedürfnissen des Pferdes!

Die Trainer der Spitzenpferde und der erfolgreichen Reiter haben immer alle Faktoren und Maßnahmen, die die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft von Pferd und Reiter beeinflussen, im Blick und im Griff. Entscheidend aber sind das Wissen und die Erfahrung der Erfolgstrainer. Das enorme Wissen über und von unserem Partner, dem Pferd. Die große Erfahrung in der individuellen, pferdegerechten und zugleich effizienten Ausbildung von Dressurpferden bis zum Grand Prix. Die umfassende Erfahrung in der Ausbildung der Reiter und im erfolgsorientiertem Coaching auf dem Turnier.

Alle erfolgreichen Reiter und Trainer wissen, dass es in der Ausbildung von Pferden, insbesondere von Sportpferden, zwei zentrale Ziele gibt, deren Erreichen oder Nichterreichen über Erfolg oder Misserfolg entscheiden: VERTRAUEN und MOTIVATION!

Im täglichen Umgang mit dem Pferd, – sei es im Stall oder bei der Arbeit unter dem Sattel -, wird Rücksicht genommen auf die natürlichen Verhaltensweisen und werden die individuellen Bedürfnisse der Pferde weitgehend befriedigt. Die Pferde werden im täglichen Training gefordert, aber nie überfordert.

Als Ergebnis vertrauen diese Pferde den Menschen, die mit ihnen täglich umgehen. Sie vertrauen nicht nur der täglichen Arbeit zusammen mit Ihrem Reiter, sondern sie freuen darauf. Weil sie sich bewegen wollen und weil sie es lieben, wenn man sich mit ihnen beschäftigt. Dass sie dabei richtig und gut geritten werden, ist den Pferden nur recht!
Aus dem Vertrauen hat sich nun die Motivation entwickelt.

Die erfolgreichen Reiter und Trainer verstehen es, dieses Vertrauen und diese Motivation so zu fördern, dass ihre Pferde sich auf dem Turnier, in der Prüfung, zusammen mit ihrem Reiter gerne gut präsentieren wollen.

Als Ergebnis dieses Trainings und dieser Motivation können wir und die Richter dann auf einem internationalem Championat eine Dressurprüfung sehen und genießen, die geprägt ist von: Dynamik, Elastizität, Ausdruck, Balance, Perfektion, Leichtigkeit, Harmonie, Eleganz und einem beeindruckendem Wechselspiel von höchster Versammlung und optimaler Schwungentfaltung!

Ralph-Michael Rash
Warendorf im August 2017

Klassische Dressurausbildung versus moderner Dressursport?

Im Verlauf der Entwicklung des Dressursports wurden die klassische Dressurausbildung und die guten alten Grundsätze für die Ausbildung von Pferd und Reiter immer mal wieder in Frage gestellt. Bestimmt durch individuelle Erfahrungen und subjektive Erkenntnisse einzelner Reiter oder Trainer wurde dann und wann versucht, eine grundsätzlich neue Methode zu proklamieren.
Zum Beispiel haben wir noch vor kurzem erlebt, dass im Dressursport von einigen Akteuren die guten alten Grundsätze der Ausbildung „auf den Kopf gestellt“ wurden.

Die Geschichte der dressurmäßigen Ausbildung von Pferden ist eng mit der Geschichte der Menschheit, gerade hier in Europa, verbunden.
Die älteste, uns überlieferte, Reitlehre ist ca. 400 vor Christi Geburt geschrieben worden.
Spätestens 1000 Jahre nach Christi geht es nicht mehr nur darum, Pferde für den Kriegsdienst auszubilden. Die dressurmäßige Ausbildung des Pferdes entwickelte sich allmählich zur Kunst.
Im 16. Jahrhundert entsteht an den europäischen Höfen und Herrscherhäusern eine Hochkultur der Reitkunst. Zu dieser Zeit gibt es in Europa berühmte Reitschulen. Die Übungen und Lektionen, die dort erarbeitet werden, entsprechen im Großen und Ganzen denen, die wir heute im Grand Prix und Grand Prix Spezial reiten. Ausgenommen die hohe Schule und die Lektionen über der Erde.
Im 17. Und 18. Jahrhundert wird in Europa der Grundstein gelegt für unser heutiges System zur dressurmäßigen Ausbildung von Pferden. Die großen Meister dieser Zeit sind z.B. Pluvinel, Löhneisen, de la Gueriniere und von Hünersdorf. In Ihren Werken wird deutlich darauf hingewiesen, dass die natürliche Veranlagung des Pferdes erkannt und beachtet werden muss, dass die natürlichen Bewegungen durch die dressurmäßige Gymnastizierung und Ausbildung zur Vollkommenheit gelangen sollen. Das Einstellen der Vorhand auf die Hinterhand, das Schulterherein und der Balancesitz werden zu wichtigen Bausteinen der klassischen Reitweise.

Im 19. Jahrhundert flossen die tierpsychologischen Erkenntnisse über die natürlichen Verhaltensweisen der Pferde mehr und mehr in die Ausbildung ein.
Der „Rückengänger“ wird definiert: Der Rücken als Bewegungszentrum des Pferdes, die Bedeutung der losgelassenen Rückenmuskulatur. Die Erhaltung und Förderung des Schwungs im Trab und Galopp wird gefordert. Die gleichmäßige Anlehnung mit feiner Hand wird hervorgehoben. Das richtig verstandene Vorwärtsreiten und die geraderichtenden Arbeit gehören nun endgültig zu den Grundpfeilern des europäischen Ausbildungssystems. Die Biegearbeit wird klar definiert. Der Zusammenhang zwischen Hankenbeugung, Rückentätigkeit und Aufrichtung wird klar beschrieben. Die relative Aufrichtung wird postuliert.

Das 20.Jahrhundert ist nun endgültig geprägt durch den Turniersport. Anfang dieses Jahrhunderts wird den zivilen Reitern die Teilnahme an Turnieren gestattet. Das Pferd wird nun mehr und mehr Partner für Freizeit und Sport.

Es steht nun bereits ein großer Schatz, in über 400 Jahren gewachsen und überliefert, an Erfahrungen in und Wissen von der dressurmäßigen Ausbildung des Pferdes, zur Verfügung. Dieser Wissensschatz wurde nun systematisiert und in Regelwerken den zivilen Ausbildern und Reitern zur Verfügung gestellt.
Es erfolgte auch eine internationale Angleichung.

Seit 1948, der Olympischen Spiele in London, ist die Entwicklung des Turniersports, bis heute, an Eigendynamik und Rasanz kaum zu überbieten. Dies gilt auch für den Dressursport.
Die Pferdezucht hat in den letzten Jahrzehnten riesige Fortschritte gemacht. Dem Dressurreiter steht heute ein „Bergauf-Pferd“ mit großen Linien, harmonischer Oberlinie, guter Hinterhandwinkelung, schräger Schulter, gutem Halsansatz und leichtem Genick zur Verfügung. Meist mit viel Bewegungsenergie und hoher Elastizität. Diese Pferde machen dem Reiter die Ausbildung leichter. Diese Pferde verlangen aber auch einen sehr geschmeidigen Sitz mit gut abgestimmter und gefühlvoller Hilfengebung. Gerade diese dynamischen und elastischen Pferde können ihrer eigenen Bewegung und ihrer eigenen Energie unter dem Reiter nur dann vertrauen und nur dann ins reiterliche Gleichgewicht kommen, wenn: Der Rücken locker ist, die Nase an der Senkrechten ist, das Genick losgelassen ist, die Aufrichtung relativ ist und die gefühlvolle Reiterhand im richtigen Moment die Bewegung nach vorne herauslässt. Dann und nur dann können diese Pferde ihr Potential voll entfalten und Reiter, Richter und Publikum begeistern! Dann werden diese Pferde nach den guten, überlieferten Grundsätzen der klassischen Reitweise ausgebildet und geritten!

In der Entwicklung und Geschichte der klassischen Dressurausbildung gab es immer mal wieder „Querschläge“. Gab es immer mal wieder Akteure und selbsternannte Meister, die glaubten, bessere und einfachere Wege gefunden zu haben, um zum Ziel zu gelangen. Zum Beispiel stellte Baucher im 19.Jahrhundert die Pferde extrem tief ein. Mit sehr engem Hals stellte er sie „auf den Kopf“. Er glaubte, dass er mit dieser Methode die Pferde gefügig machen könne und schneller erfolgreich ausbilden könne. Aber die Methode funktionierte letztlich nicht! Im hohen Alter hat Baucher sich revidiert und gesagt, dass diese Methode das Dümmste und Verwerflichste war, was er in seinem Leben produziert habe.

Fast 150 Jahre später werden wir und die klassische Reitweise wiederum mit dieser Idee/Methode konfrontiert. Ende der 90`er Jahre geistert das erste Mal der Begriff „Rollkur“ durch die Dressurwelt. Später auch „Hyperflexion“ genannt. Bis 2010 sehen wir auch auf internationalen Championaten in großen Prüfungen viele Pferde, die mit dieser Methode ausgebildet wurden: Sehr eng im Hals, festgestellt im Rücken, die Hinterbeine sich mehr nach oben als in Richtung Schwerpunkt bewegend, der Versammelte Trab ist passageartig, die Qualität des Galoppsprungs und die des Schritts deutlich begrenzt. Die Pferde machen selten einen gelassenen und vertrauensvollen Eindruck. Erschreckend war und ist, dass so gehende Pferde von den Richtern auch noch oft gut und hoch bewertet wurden.
Aber die klassische Reitweise hat auch dieser Entwicklung standgehalten. Deswegen, weil die überlieferten Grundsätze der klassischen Dressurausbildung eben kein dogmatisches Relikt aus vergangener Zeit darstellen. Die klassische Reitweise hat sich in über 400 Jahren sukzessiv im steten Wechsel von Praxis und Theorie entwickelt. Und sie entwickelt sich auch heute noch weiter und strebt stets nach neuer Erkenntnis und höherer Vollkommenheit.

Die Olympiasiegerin von London 2012 präsentiert uns in beeindruckender Weise ihr Pferd: Sicher an der Senkrechten, locker im Rücken, in relativer Aufrichtung, mit ruhiger Schweifhaltung. Das ist gutes Reiten nach den überlieferten Grundsätzen!

Nach London, bei den Weltreiterspielen in Caen 2014 und dann bei den Olympischen Spielen in Rio 2016, sehen wir wieder immer mehr Pferde, die sich gerne mit Ausdruck und Erhabenheit unter ihren geschmeidig sitzenden und gefühlvoll einwirkenden Reitern präsentieren. Alle Medaillenträger von Rio bilden ihre Pferde nach den guten überlieferten Grundsätzen der klassischen Reitweise aus. Die Richter bewerteten diese Leistungen mit bis zu über 80%! Die Dressur ist wieder auf einem guten Weg.

Die klassische Reitweise ist keine nationale Reitweise. Sie ist international! Die überlieferten Grundsätze und das überlieferte Wissen sind das Gut aller Pferdemenschen, die sich mit der dressurmäßigen Ausbildung von Pferden beschäftigen, in der ganzen Welt.

Die klassische Dressurausbildung steht nicht im Widerspruch zum modernen Dressursport!
Mit den überlieferten Grundsätzen ist die klassische Dressurausbildung zeitlos, aktuell, lebendig und erfolgreich!

Ralph-Michael Rash
Warendorf im März 2017